Pharmaindustrie manipuliert Wikipedia-Inhalte
Was mancher pharmaunabhängige Wikipedia-Redakteur schon länger vermutet hat, scheint jetzt Gewissheit zu werden: Der Fall Sanofi-Aventis zeigt, dass die Pharmaindustrie über Mittelsmänner gezielt Inhalte der weltweit größten Enzyklopädie im Sinne der Industrie manipuliert.
(ir) Wikipedia ist das vermutlich am häufigsten in Anspruch genommene Nachschlagewerk weltweit. Entsprechend umstritten sind deshalb auch viele Inhalte zu kontroversen medizinischen Themen. Ein Großteil der offiziellen Medizin - insbesondere der Infektionsmedizin - basiert ja nicht auf unzweifelhaften wissenschaftlichen Beweisen, sondern auf Konsens unter den einflussreichsten Institutionen, die finanziell oft mehr oder weniger direkt am Gängelband der Industrie hängen. Diese Industrie ist in erster Linie den finanziellen Interessen ihrer Kapitaleigner verpflichtet und deshalb naturgemäß daran interessiert, dass bestimmte konsensbasierte Grundannahme, von denen sie profitieren, in Wikipedia in ihrem Sinne dargestellt werden. Auch die wertfreie und objektive Darstellung von alternativmedizinischen Sicht- und Herangehensweisen ist nicht gut fürs Geschäft.
Manch ein pharmakritisch eingestellter Wikipedia-Redakteur hat das auch zu spüren bekommen, wenn er versuchte, bestimmte Inhalte kritischer oder auch nur objektiver zu gestalten. Denn wenn die Mehrheit der anderen Redakteure, die am gleichen Thema arbeiten, und hier insbesondere solche mit Administratorstatus, ihn abblocken, hat er keine Chance, sich durchzusetzen.
Ausgerechnet ein Uni-Projekt namens "Wiki-Watch", das für mehr Transparenz bei Wikipedia sorgen sollte, ist jetzt selbst ins Gerede geraten. Ehrenamtliche Wikimedia-Kontrolleure haben laut Deutschlandfunk zweifelsfrei festgestellt, dass Wolfgang Stock, der Betreiber von "Wiki-Watch", unter unterschiedlichen Benutzernahmen Artikel zugunsten des Pharmakonzerns Sanofi-Aventis geändert hat. Stock ist Professor an der Universität Frankfurt/Oder und hauptberuflich PR-Berater, unter anderem für Sanofi-Aventis.
Die Universität will nun prüfen, ob sie Wolfgang Stock weiter beschäftigen will und ob das Wiki-Watch-Projekt eine Zukunft hat. Beobachter befürchten, dass es sich nicht um einen Einzelfall, sondern nur um die Spitzes eines Eisbergs handelt.
Deutschlandfunk vom 3. August 2011
Heise Newsticker vom 15. Juli 2011