Bundesgericht: Schulausschluss wegen Masern nicht grundsätzlich gerechtfertigt!
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Auszug aus dem Urteil:
"Der Kläger war seinerzeit - und ist noch - Schüler einer Gesamtschule. Anlass für die Anordnung der Beklagten [das örtliche Gesundheitsamt, d. Red.] war die ihr am 29. Mai 2007 bekannt gewordene Masernerkrankung eines Schülers der benachbarten Grundschule (so genannter Indexfall).
Die Grundschule und die Schule des Klägers liegen mehrere hundert Meter voneinander entfernt, die Schüler nutzen jedoch verschiedene Einrichtungen gemeinsam (Bibliothek, Bushaltestelle, Spielmöglichkeiten); außerdem führt die Gesamtschule in den Räumlichkeiten der Grundschule einen Kochkurs durch.
Die Beklagte ergriff zur Verhinderung einer weiteren Verbreitung der Masern verschiedene Schutzmaßnahmen, in die sie neben der Grundschule auch die Gesamtschule einbezog. Unter anderem überprüften Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Anfang Juni die Impfausweise der Schülerinnen und Schüler und boten eine Schutzimpfung an (so genannte postexpositionelle Impfung oder Riegelungsimpfung). Der Kläger war bislang weder gegen Masern geimpft, noch hatte er eine Masernerkrankung durchgemacht. Die Teilnahme an der Schutzimpfung lehnten seine Erziehungsberechtigten ab.
Dem Kläger wurde daraufhin am 5. Juni 2007 im Schulsekretariat mündlich mitgeteilt, dass er die Schule für die Dauer von zwei Wochen oder länger nicht besuchen dürfe. Hierbei handelte die Schule auf Weisung der Beklagten. Deren Gesundheitsbehörde hielt ein Schulbetretungsverbot generell bei denjenigen Schülern der beiden Schulen für erforderlich, die ungeimpft und auch nicht infolge einer Vorerkrankung gegen Masern immun waren; sie betrachtete diese Schüler als ansteckungsverdächtig. (...)"
Genau dies hätte das Gesundheitsamt nach Ansicht der dritten Kammer des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, nicht tun dürfen. Sie hätten die betroffenen Schüler zumindest befragen müssen, um festzustellen, ob es zu einem Kontakt mit dem Masernerkrankten gekommen sein konnte. Damit bestätigte das Gericht die Urteile in erster und zweiter Instanz, gegen die die Behörde in Revision gezogen war.
Der Willkür einen Riegel vorgeschoben
Das Urteil greift zwar nicht den grundsätzlichen Sinn der Masernimpfung oder von Unterrichtsausschlüssen aufgrund von Masern an einer Schule an, schiebt jedoch dem pauschalen und willkürlichen Ausschluss Ungeimpfter einen deutlichen Riegel vor. Demnach müssen die Gesundheitsämter von nun an sicherstellen, dass ein Kontakt des Ungeimpften mit dem oder den Erkrankten bestand.
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 16.11