Impf-Mobbing: Pflicht zur schriftliche Risikoübernahme durch ungeimpfte Lehrerkollegen?
Im Oktober 2010 erreichte uns folgende Anfrage:
Ich bin hier in einer heilpädagogischen Einrichtung (Schule) beschäftigt. Behinderte Kinder erfüllen bei uns ihr Schulpflicht. Im Rahmen einer Betriebsuntersuchung möchte man nun auch bei uns die Kollegen "durchimpfen" bzw. alte Impfungen auffrischen. Man hat ein großes Blutbild durch den Betriebsarzt machen lassen, um zu schauen wie es um den Impfschutz des einzelnen Mitarbeiters bestellt ist.
Einige Kollegen, unter Anderen, meine Person sind nun nicht bereit sich impfen zu lassen (es steht z.B. eine Impfung gegen Hepatitis A und B an), da sie den Sinn darin nicht sehen, bzw. das Impfrisiko nicht eingehen möchten.
Nun sollen wir (die Impfverweigerer) seitens unsere Personalabteilung ein Blatt unterschreiben, dass wir uns nicht impfen lassen möchten und alles auf eigenes Risiko tun Dort heißt es u. a.:
"(...) Ich lehne die gefährdungsbezogene Untersuchung/Impfung durch den Betriebsarzt ab. Ich erkläre hiermit ausdrücklich, dass mir die möglichen Gefahren bekannt und Folgen meiner Ablehnung bewusst sind und ich freiwillig diese Entscheidung treffe."
Meine Vermutung ist nun, dass man versucht die Berufsgenossenschaft, die für uns zuständig ist, aus der Gewährleistung zu nehmen, falls es doch mal, wie auch immer, zu einer Infektion mit TBC, Tetanus oder Hepatitis kommt. Wie ist es in diesem Fall rechtlich gesehen, muss ich dieses Blatt unterschreiben?"
Diese Frage leiteten wir zur Beantwortung an Rechtsanwalt Rüdiger Voerste aus Bubenreuth weiter. Nachstehend seine Antwort, die natürlich nur eine grobe Orientierung geben kann, denn es kommt ja immer auf den konkreten Einzelfall an.
Antwort:
"Die Frage geht dahin, ob der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die vom Arbeitgeber vorformulierte Erklärung zu unterzeichnen.
Die Antwort hängt zunächst einmal davon ab, ob es im Arbeitsvertrag oder in einer innerbetrieblichen Regelung (Betriebsvereinbarung) oder in einem einschlägigen Tarifvertrag eine entsprechende Verpflichtung gibt. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Das bedürfte jedoch ggfs. einer näheren Prüfung.
Unterstellt, eine solche individual- oder kollektivrechtliche Verpflichtung besteht nicht, kommt es darauf an, ob gesetzliche Bestimmungen oder die Ausformung allgemeiner arbeitsvertraglicher Pflichten durch die Rechtsprechung eine derartige Pflicht begründen. Gesetzliche Bestimmungen in diesem Sinn gibt es nicht, einschlägige höchstrichterliche Entscheidungen sind mir nicht bekannt. Zu denken wäre u.a. an die sog. Treuepflicht des Arbeitnehmers. Sie lässt sich dahin erläutern, dass der Arbeitnehmer die Interessen des Arbeitgebers zu wahren hat und seine vertraglichen Verpflichtungen so erfüllen muss, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der Arbeitskollegen nach Treu und Glauben billigerweise erwartet werden kann. So gesehen haben Sie durchaus Recht mit Ihrer Vermutung, dass es sich um einen rechtlichen Graubereich handeln mag.
Einstweilen gehe ich jedoch davon aus, dass es keine Verpflichtung zur Unterzeichnung der Erklärung gibt. Insbesondere ist kein überwiegendes schutzbedürftiges Interesse des Arbeitgebers zu erkennen. Wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Belehrung besteht, z.B. nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG, oder wenn der Arbeitgeber aus anderen Gründen ein solches Bedürfnis erkennen sollte, kann er die erfolgte Belehrung auch auf andere Weise als durch Unterzeichnung des Formulars durch den Mitarbeiter dokumentieren, beispielsweise durch einen entsprechenden Vermerk desjenigen, der die Belehrung durchführt.
Zur Abgabe einer Verzichtserklärung kann der Arbeitnehmer ohnehin nicht gezwungen werden. Der Arbeitgeber kann aber, wenn ein Arbeitnehmer sich weder impfen lassen noch eine Verzichtserklärung abgeben möchte, ein etwa bestehendes Haftungsrisiko u.U. dadurch zu umgehen versuchen, dass er den Arbeitnehmer wenn möglich auf einen weniger infektionsgefährdenden Arbeitsplatz versetzt. Dieser Punkt bedürfte allerdings einer sorgfältigen Abwägung im Einzelfall.
Im Übrigen erscheint mir die Erklärung nicht in ihrer Gänze abzulehnen. Unzumutbar ist allerdings der letzte Satz: „Ich erkläre ausdrücklich ... freiwillig diese Entscheidung treffe“. Hier geht zumindest der Satzteil „dass mir die möglichen Gefahren bekannt und Folgen meiner Ablehnung bewusst sind“ zu weit. Was sind die konkreten Gefahren? Vor allem: Um welche Folgen geht es? Das ist ein Blankoscheck.
Ein Kompromiss bestünde darin, dass man die Erklärung durch entsprechende Streichungen darauf reduziert, dass nur die Impfung abgelehnt wird und der Hinweis auf die Folgen der Ablehnung gestrichen wird."
Anmerkung:
Juristische Fragen, die in allgemeinem Interesse sind, leiten wir im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten zur Beantwortung an kompetente Rechtsanwälte weiter. Bitte unterstützen Sie diese wichtige Arbeit durch eine Spende an den gemeinnützigen Verein "Arbeitsgemeinschaft Bürgerrecht & Gesundheit e.V.", weitere Infos unter www.agbug.de.